Zum 18.01: Bach gegen seine Liebhaber verteidigt
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Re: Zum 18.01: Bach gegen seine Liebhaber verteidigt
Obgleich ich nicht häufig einer Meinung mit Adorno bin, so finde ich seine Stellungnahme -ich könnte ebenso Pamphlet sagen- trotz aller engagierten Unsachlichkeit im Kern doch sehr richtig. Seine Kritik an der auftretenden historischen Aufführungspraxis sehe ich auf Grundlage seiner Beispiele als gerechtfertigt. Mein Post über alternative Adaptionen (David Marton) enthält eine ähnliche Kritik an allzu konservativen Aufführungspraktiken, wenn auch nicht die historisch informierten.
Der Vorwurf gegenüber den historisch informierten Interpreten lautet: Unproduktivität, die Fixierung auf beflissene Reinheit und schließlich das praktische Problem, jenes, dass Musiker zeitweilig gezwungen waren, das Instrumentarium zu nutzen, das gerade da war.
Adorno betont aber auch, dass er die Kritik an dem "aufgeblähten und sentimentalisierten Bachbild der Spätomantik" nicht schmälern möchte, wenn diesem Musikverständnis auch ein größeres musikalisches Potential innewohnt. Ich würde Adorno auch hier recht geben. Sogar eine Adaption wie die des David Marton (siehe Post "Zum 25. Januar 2016"), die nicht einmal versucht, durch subjektive Schönheit oder romantische, klassiche usw. Interpretation, wie sie heute allgemeinenen Anklang findet, Gefallen zu finden, sondern vielmehr mit Allem, was der "normale Hörer" als schön empfindet, bricht und das Stück hemungslos in das Hier und Jetzt zwängt, beherbergt meiner Meinung nach mehr "musikalisches Empfinden" als eine sterile, in den Augen einer idealtypischen historsichen Auffürhungspraxis korrekte Aufführung.
Aber: Zum einen ist der Begriff der musikalischen Produktivität, die er in der romantischen Ära sieht, sehr schwammig formuliert, zum anderen muss ich die historisch informierte Aufführungspraxis von heute verteidigen: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele moderne Vertreter der HIP mithilfe der alten Instrumente musikalische und gar nicht starrsinnige Aufführungen brachten. Außerdem erheben diese Interpreten nicht mehr diese unrealistischen Ansprüche wie es lange Zeit üblich war. Allerdings denke ich, ähnlich wie Adorno, dass ein musikalisches Konzept, das alte Prinzipien, die zudem irrelevant für damalige Musiker schienen, wiederbelebt und auf offensichtlich universell einsetzbare Kompositionen projeziert in erster Linie als reaktionär und rein ideell nicht neuartig, sondern fehlleitend, obendrein gehe ich weiter und unterstelle diesem Konzept ein wirtschaftliches Interesse. Merke: Es ist weder möglich noch sinnvoll eine exakte Wiederauführung der Matthäuspassion vorzunehmen, da das soziokulturelle und allgemein gesellschaftliche Umfeld sich gewandelt hat und folglich auch das Hörempfinden. Man sollte auch erwähnen, dass durch die heutigen Aufnahmen klassischer Musik, die Reinheit an und für sich viel wichtiger geworden ist. Ich empfinde aber auch diesen Weg für falsch und sogar unmenschlich, zumal er einer radikalen historischen Auffürhungspraxis, wie Adorno sie beschreibt, in die Karten spielen mag. Musik als Werk des Menschen kann nun einmal nicht durch den Menschen selbst rationalisiert werden, außerdem ist ein Stück und sogar die Planung einer Inszenierung noch keine Musik, sodass die Frage nach einer historischen Aufführungspraxis (nicht HIP) schlicht und einfach hinfällig wird. Somit verhält es sich mit der idealen historischen Aufführungspraxis wie mit der Zeitreise: Irgendwie wäre es schön, aber es geht einfach nicht. Kurz und gut: Ein Text Adornos, der immernoch aktuell ist und viele spannende Fragen aufwirft, die er zum Teil polemisch, aber für mich zum größeren Teil nachvollziehbar beantwortet.
Der Vorwurf gegenüber den historisch informierten Interpreten lautet: Unproduktivität, die Fixierung auf beflissene Reinheit und schließlich das praktische Problem, jenes, dass Musiker zeitweilig gezwungen waren, das Instrumentarium zu nutzen, das gerade da war.
Adorno betont aber auch, dass er die Kritik an dem "aufgeblähten und sentimentalisierten Bachbild der Spätomantik" nicht schmälern möchte, wenn diesem Musikverständnis auch ein größeres musikalisches Potential innewohnt. Ich würde Adorno auch hier recht geben. Sogar eine Adaption wie die des David Marton (siehe Post "Zum 25. Januar 2016"), die nicht einmal versucht, durch subjektive Schönheit oder romantische, klassiche usw. Interpretation, wie sie heute allgemeinenen Anklang findet, Gefallen zu finden, sondern vielmehr mit Allem, was der "normale Hörer" als schön empfindet, bricht und das Stück hemungslos in das Hier und Jetzt zwängt, beherbergt meiner Meinung nach mehr "musikalisches Empfinden" als eine sterile, in den Augen einer idealtypischen historsichen Auffürhungspraxis korrekte Aufführung.
Aber: Zum einen ist der Begriff der musikalischen Produktivität, die er in der romantischen Ära sieht, sehr schwammig formuliert, zum anderen muss ich die historisch informierte Aufführungspraxis von heute verteidigen: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele moderne Vertreter der HIP mithilfe der alten Instrumente musikalische und gar nicht starrsinnige Aufführungen brachten. Außerdem erheben diese Interpreten nicht mehr diese unrealistischen Ansprüche wie es lange Zeit üblich war. Allerdings denke ich, ähnlich wie Adorno, dass ein musikalisches Konzept, das alte Prinzipien, die zudem irrelevant für damalige Musiker schienen, wiederbelebt und auf offensichtlich universell einsetzbare Kompositionen projeziert in erster Linie als reaktionär und rein ideell nicht neuartig, sondern fehlleitend, obendrein gehe ich weiter und unterstelle diesem Konzept ein wirtschaftliches Interesse. Merke: Es ist weder möglich noch sinnvoll eine exakte Wiederauführung der Matthäuspassion vorzunehmen, da das soziokulturelle und allgemein gesellschaftliche Umfeld sich gewandelt hat und folglich auch das Hörempfinden. Man sollte auch erwähnen, dass durch die heutigen Aufnahmen klassischer Musik, die Reinheit an und für sich viel wichtiger geworden ist. Ich empfinde aber auch diesen Weg für falsch und sogar unmenschlich, zumal er einer radikalen historischen Auffürhungspraxis, wie Adorno sie beschreibt, in die Karten spielen mag. Musik als Werk des Menschen kann nun einmal nicht durch den Menschen selbst rationalisiert werden, außerdem ist ein Stück und sogar die Planung einer Inszenierung noch keine Musik, sodass die Frage nach einer historischen Aufführungspraxis (nicht HIP) schlicht und einfach hinfällig wird. Somit verhält es sich mit der idealen historischen Aufführungspraxis wie mit der Zeitreise: Irgendwie wäre es schön, aber es geht einfach nicht. Kurz und gut: Ein Text Adornos, der immernoch aktuell ist und viele spannende Fragen aufwirft, die er zum Teil polemisch, aber für mich zum größeren Teil nachvollziehbar beantwortet.
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